Vietnam

16.-26.02.2014, Chao Doc – Can Tho – Vinh Long – Ho Chi Minh City

Motorräder und Autos, „Cyclos“, Fahrräder und Fussgänger, alle bewegen sich in geordnetem Chaos um uns herum, als wir vom Boot steigen. Die Flussfahrt nach Chau Doc, unser erster Halt im Mekong-Delta, ist ruhig und angenehm verlaufen. Umso mehr müssen wir uns erst an den Lärm und das Treiben an Land gewöhnen.
Für die meisten Touristen ist Chau Doc ein Transitort auf dem Weg von oder nach Kambodscha. Wir haben uns hier 2 ganze Tage aufgehalten und die Geschäftigkeit der Vietnamesen beobachtet, bewundert und sehr genossen.
Hätte unser Hotelzimmer ein Fenster, dann würden wir den Mekong träge aber stetig vorbeifliessen sehen. Von der Terrasse aus beobachten wir Hausboote, geschmückt mit Topfpflanzen und Girlanden bunter Schnittblumen. Wir sehen Lastkähne voller Sand oder Reis stromaufwärts gleiten und grosse schwimmende Fischfarmen am Ufer befestigt den Wassermassen trotzen. Zeitweise ist auf diesem Mekong-Arm mehr Verkehr, als auf der Hauptstrasse an Land, mit Fischern, die im aufgewirbelten Wasser der grossen Frachter schnell ihre Netze auswerfen und anderen Fischern, die in den Wassern am Ufer mit Strom aus einer Autobatterie die Fische im Netz lähmen und so mehr Beute machen. Ein gefährliches Unterfangen, dem laut unseres frühmorgendlichen Guides jedes Jahr einige Menschen zum Opfer fallen.

Wir lassen uns die Fische und anderen Wassertiere auf dem Festlandmarkt erklären, versuchen, auf dem glitschigen und glibbernden Boden voller Fischschuppen und undefinierten Flüssigkeiten nicht auszurutschen. Wir schauen weg, als die Metzgerin in der Ecke dem Huhn den Kopf abschlägt. Während wir weitergehen nehmen wir aus dem Augenwinkel die letzten Zuckungen des armen Tieres wahr. Das Rupfen ersparen wir uns – heute gibt es für uns kein Hühnchen.
Der vielbeschworene schwimmende Markt von Chau Doc ist spannend, da für uns exotisch, aber relativ klein. Einige bauchigen Schiffe mit fürchterlichen Grimassen auf den Bug gemalt (anstelle einer Galionsfigur) versammeln sich jeden Morgen auf dem „Markt“ mitten in einem der Mekongarme. An langen Bambusstangen hängt ein Exemplar der Frucht oder des Gemüses, das sie verkaufen. Es gibt Kokosnüsse, Bananen, Süsskartoffeln, Reis (nein, es hängt kein Reiskorn an der Bambusstange …), Ananas, Melonen, Maiskolben und noch vieles mehr. Die Einkäufe werden verhandelt, danach das Gut vom bauchigen „Piratenschiff“ hinunter in das Fischerboot geworfen. Für den kleinen Hunger oder grossen Durst zwischendurch gibt es als Pendant zur fahrenden Küche hier die schwimmende Küche. Es brutzelt und kocht auf dem einen Boot vor sich hin, aus der Kajüte des anderen reicht uns ein freundlicher Vietnamese eine Plastiktüte gefüllt mit vietnamesischem Eiskaffee, Strohhalm inklusive – lecker!

Das zum Mekong-Delta zugehörige Gebiet entspricht in seiner Grösse in etwa der Schweiz – mit jedoch mehr als doppelt so vielen Einwohnern. 17Mio Menschen teilen sich Wasser und Land, natürliche Resourcen und landwirtschaftliche Produkte. Nirgendwo ist man alleine, es gibt keine noch so kleine Insel, die nicht bewohnt oder zumindest genutzt wird. Wasser und Land bieten genügend Nahrung für die geschäftigen Menschen hier; die einzige wirkliche Sorge, die man haben muss, betrifft die Umweltverschmutzung. Vietnam ist dreckig – wie auch die beiden vorherigen Länder. Doch durch die Massen an Menschen bemerkt man die Umweltverschmutzung hier wesentlich mehr. Fische teilen sich den Fluss mit Plastiktüten und alten FlipFlops, mit Ölkanistern und PET-Flaschen die einmal als Benzin-Behälter für die Mofa-Tankstelle dienten. Wasserhyazinthen und „Morning-Glory“ begrünen die Lebensader in ungesundem Mass und die Abwasser aus Hotels oder schwimmenden Häuser gelangen ungefiltert in die „grosse Badewanne“ der Deltabewohner. Jedes Jahr fordert der Fluss an manchen Stellen Land ein – an anderen Stellen entstehen neue Inseln. Wir sehen abgebrochene Uferkanten mit halben Häusern, wir sehen das Wasser teilweise bis ins Dorf eindringen und wir wundern uns über Bäume und Sträucher, die scheinbar vom Grund des Deltas her wachsen – hier entsteht bald „neues Land“.

Der Delta-Vietnamese ist abhängig von dem, was das Wasser ihm bietet: als Wohnort, Marktplatz, Nahrungsquelle, Aufenthaltsort. Oft kommen wir uns vor, wie in einem grossen Terrarium. Die Luft ist feucht und modrig, Fische, Schildkröten, Frösche, Schlangen, Muscheln – Wassergetier jeglicher Art – umgeben uns. Es ist schlammig und manchmal stinkig. Hier stammt der Mensch eindeutig vom Fisch ab!

Dennoch reisen wir per Land weiter, der Bus bringt uns in wenigen Stunden nach Can Tho. Hier wie in Chau Doc umgibt uns Geschäftigkeit und Leben, Marktstände und Suppenküchen. Gegenüber des alles überragenden Ho-Chi-Minh-Denkmals befindet sich unser Hotelzimmer. Wir fahren schon wieder entlang typischer touristischer Routen. Viel anderes bleibt einem ohne eigenes Transportmittel in Vietnam kaum übrig. Und so entscheiden wir uns auch, einen der typischen Touristenausflüge zum kleinen aber feinen Schwimmenden Markt in Phong Dien zu machen.
Um 5:30Uhr werden wir abgeholt, pünktlich um 6:00Uhr, noch bevor die Sonne aufgeht, rudert „unsere“ Bootsfrau hinein in das Gewusel aus kleinen Booten und einigen wenigen grösseren. Wir beobachten die Familieneinkäufe, trinken einen wunderbaren typischen Eiskaffee – wie gewohnt mit Strohhalm aus einer Plastiktüte – und stillen unseren Frühstückshunger mit einem vietnamesischen Baguette. Niemand möchte genau wissen, woraus der Belag besteht. Aber es schmeckt herzhaft und gut!

Die anschliessenden 90min Fahrt durch die schmalen Deltawege, vorbei an wilder Landschaft und bestellten Feldern, an Häusern am Wasser und „schwimmenden Händlern“ ist einfach wunderbar. Gestartet sind wir im Nebel, der sich im Verlauf langsam lichtet. Im südlichen Sonnenlicht wirkt das üppige Grün um uns herum noch kräftiger und überbordender. Ein gelungener Start in einen neuen Tag, den wir nun noch mit einem der typischen Kaffees in einem der unendlich vielen vietnamesischen Cafés krönen. Vietnamesischer Kaffee ist ganz und gar nicht zu vergleichen mit dem Getränk, das wir in Europa so gerne zu uns nehmen. Ja, auch in Deutschland schmeckt Kaffee anders als in der Schweiz oder Italien. Und französischer Kaffee hat ebenfalls eine eigene Geschmacksnote. Aber das Getränk hier ist dickflüssig und schwarz wie Melasse, süsslich auch ohne Zuckerzusatz und schmeckt stark nach bitterem Karamell. Man kann sich daran gewöhnen, aber mein Lieblingsgetränk wird es nie werden.

Long Vinh ist der nächste Ort im Delta, den wir anfahren. Hier – so haben wir gelesen – gibt es „homestay“ auf einer der Inseln. Die Busfahrt hat fast exakt so lange gedauert, wie angekündigt…. ein Wunder, denn die Vietnamesen habe genau wie ihre südostasiatischen Nachbarländer ein verqueres Verhältnis zur Zeit. So sind wir aber am Mittag schon in Long Vinh angekommen, haben gerade ein paar Schritte von Busstation in Richtung Fluss gemacht, als uns ein junger Motorroller-Fahrer anhält und fragt, ob wir mitfahren wollen. In ganz Vietnam ist das Motorrad-Taxi wesentlich beliebter als das Auto-Taxi. Überall fahren junge und mittelalte Männer mit ihrem „Töff“ herum und fragen, ob sie uns irgendwo hinbringen können. Bisher haben wir immer verneint, wir haben uns bewusst gegen das Fahren auf zwei motorisierten Rädern entschieden. Das ist uns zu gefährlich – und das sagen wir auch dem jungen Mann. Der hat sofort Verständnis dafür, hält aber dennoch an, hebt den Sitz seines Rollers in die Höhe und zeigt uns seinen „Lonely Planet“. In diesem Reiseführer sei seine Familie als „homestay“ erwähnt. Ob wir vielleicht auch dort übernachten wollten.
So sind wir in wenigen Minuten zuerst in Vinh Long angekommen und dann schon hinübergefahren auf die Insel An Binh. Die Unterkunft war super. Homestay ist für uns zwar anderes, wir sind hier in einer Pension gelandet, mit mindestens 10 Zimmern für jeweils mindestens 2 Personen. Aber wir haben wunderbar ruhig übernachtet auf guten Matratzen unter einem Moskitonetz. Wir haben den Tag über in der Hängematte „abhängen“ können, uns kostenfrei eines der Fahrräder schnappen können und die Insel erkunden. 2 Nächte sind wir geblieben, haben nicht viel unternommen und einfach die Ruhe, die Einfachheit und das Leben im Delta genossen – sowie 2 Mal fantastisch zu Abend gegessen.

Das Delta-Leben hat uns nun nicht mehr so viel bieten können. Leider war es nicht möglich (oder besser: wir haben es nicht herausgefunden), auf einem der Hausboote zu übernachten. Leider werden Touristen hier sehr in Scharen auf die wenigen Sehenswürdigkeiten losgelassen. Und so haben wir uns entschieden, weiter nach Ho-Chi-Minh-City zu fahren. Ein Hotel haben wir vorgebucht – und einen kleine Glückstreffer gelandet. Mitten im Zentrum dieser Stadt mit 2 Namen (Saigon und Ho-Chi-Minh-City), in Gehdistanz zum Markt und zu den Museen haben wir uns für 3 Tage zu einem vernünftigen Preis in einem sehr guten Hotel niedergelassen.

Saigon ist eine wuselige Stadt, es macht Spass, durch die Strassen zu streifen und die Menschen bei ihren ganz alltäglichen Beschäftigungen zu beobachten. Wir sind am Kino vorbeispaziert, aus dem die jungen und teils flippigen Vietnamesen herausströmten, wir sind vorbei gegangen an Cafés und Restaurants, die eindeutig nicht für die Touristen dort stehen und wir haben beim ersten MacDonalds von ganz Vietnam zu Abend gegessen. Das war eine besonders spannende Episode, da dieser Laden erst seit knapp 2 Wochen geöffnet war. Die Vietnamesen sind ungeübt in der Bestellung ihres Fast-Foods und so wurden wir schon vor dem Restaurant von 4 jungen Leuten in Empfang genommen, die uns bei der Auswahl der Gerichte halfen. Diese wurden auf einem Zettel angekreuzt, den wir im Restaurant der nächsten jungen Dame in die Hand drücken mussten. Sie hat die Bestellung dann aufgenommen und wir konnten endlich zu Kasse weiterziehen, bezahlen und mit unserem Essen einen Tisch suchen. Auch wir sind ungeübt in der Essensbestellung bei diesen Fast-Food-Ketten, und so waren wir nicht undankbar für das immense Personalaufgebot.
Gesättigt hat es uns zur Jade-Pagode gezogen. Wer genau hier verehrt wird, haben wir nicht herausfinden können. Aber es stehen unzählige schrecklich aussehende Figuren gemeinsam mit Buddha oder andere Gottheiten in verwinkelten Räumen. Wir haben gestaunt, den Dampf der Räucherstäbchen eingesogen und im Dämmerlicht der Kerzen einen Hauch Spiritualität gespürt. Eine spannende Erfahrung, vor allem auch da die Vietnamesen sehr unbekümmert mit Religion umgehen. Sie lassen sich oder irgendwelche Gegenstände segnen, bitten um Glück oder rufen ihre Ahnen an, währen nur wenige Schritte entfernt laut gelacht wird, oder Fotos gemacht werden. Sie selber knien erst nieder und beten andächtig, dann packen sie ihre überdimensionierte Kamera aus und lassen sich mit „Lady Buddha“ oder anderen Heiligenfiguren ablichten. Natürlich mit vorgestreckten Zeige- und Mittelfinger, das typische „Victory-Zeichen“, das die Asiaten auf fast allen Fotos präsentieren.

Am Tag zuvor haben wir uns das Kriegsmuseum angeschaut, und den „Wiedervereinigungspalast“. Das sind zwei Denkmäler, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch beide zusammenhängend mit dem schrecklichen fast 20-jährigen Vietnamkrieg. Das Kriegsmuseum zeigt uns unverblümt, was die Angriffe der US-Army mit dem Land und den Menschen gemacht haben – in Text und Bild. Die Fotografien von über 160 im Krieg verstorbenen Kriegsfotografen werden ausgestellt, wir sehen die kongenitalen Folgen von Agent Orange – auch heute noch – und lesen schmerzhafte Berichte von ehemaligen US-Soldaten. Für beide Seiten war dies ein schrecklicher Krieg; ganz zu schweigen von primär unbeteiligten Ländern wie Kambodscha oder Laos.

Der „Wiedervereinigungspalast“ ist unveränderter Zeuge der letzten Kriegstage. In den 60er-Jahren erbaut war er Sitz des Präsidenten bis zum 30.April 1975, als die Nordvietnamesischen Truppen den Palast stürmten und der erst seit 1 Woche amtierende „neue“ Präsident seinen Rücktritt erklärte. Erhalten geblieben ist der Nachwelt ein stilvoller Bau voller Elemente der späten 60er und frühen 70er Jahre, inklusive mehreren Versammlungsräumen, Schlafzimmern, einem „Spielsaal“ für Kartenspiele, einem Kino, und natürlich – das darf nicht fehlen – einem voll ausgestatteten Bunker sowie einem Hubschrauberlandeplatz. Auf dem Dach befindet sich neben letzterem ein grosser Tanzsaal mit Flügel, Bar und Wandelterasse.

Ho-Chi-Minh-City (oder Saigon) hat uns gut gefallen, wir kommen bald wieder, nachdem wir das Hochland um Dalat und die Küste am Südchinesischen Meer gesehen haben.

26.02.-05.03.2014, Dalat – Paradiessee – Phan Rang – Vung Tau – Ho Chi Minh City

Nach 17 Tagen in Vietnam fährt uns der Bus „The Sinh Tourist“ zurück in das Land der Häuser auf Stelzen. Heute haben wir es uns bequem gemacht und die „Grenz- und Einreisekosten“ die neben den Kosten für’s Visum entstehen, schon im Voraus an die Bus-Company gezahlt. So können wir bequem im Wartesaal sitzen, warten bis unser Name aufgerufen wird und dann einfach die Grenze überqueren. Kein Kampf mit Zöllner die Gebühren für’s symbolische Fiebermessen oder den Ausreisestempel haben möchten. Ist alles im Ticketpreis eingeschlossen. Wir können der Korruption sowieso nicht die Hände binden, nur unsere Nerven aufreiben.

Vor einer Woche haben wir den Abstecher in Richtung Norden, Nationalpark und Dalat, unternomme. Dalat ist DER Urlaubsort für Vietnamesen und Ausländer zugleich. Dort, wo Roman vor 14 Jahren noch ein halbverschlafenes Nest angetroffen hat ist nun der See einbetoniert, die Hotels und Guesthouses sind wie Pilze aus dem Boden gewachsen und dazwischen tummeln sich mehr Tour-Companies als es Blätter im Wald gibt. Kein schöner Ort für uns und unser Wohlbefinden. Darum gehen wir halt auch in eine der Agenturen, melden uns für ein Trekking an.

Wir bekämen nasse Füsse, am ersten Tag, hat uns die sympathische junge Frau gesagt. Wir sollten doch Sandalen mitnehmen. Hätte sie uns doch nur genauer erklärt, worum es geht. Denn wir haben uns gegen die Sandalen und für FlipFlops entschieden, ein fast fataler Fehler. Mindestens 7 Mal haben wir einen auf steinigem Grund recht schnell daherfliessenden und bis zu hüfttiefen Bergbach durchqueren müssen. FlipFlops waren dazu total ungeeignet und barfuss das Ganze eine Quälerei. Der arme Son, unser 21-jähriger Guide, ist fast verzweifelt ob der zwei alten und ungelenken Schweizer. Am frühen Nachmittag war dieser anstrengende aber auch wunderschöne Trekkingteil vorbei, und „seven times washed in the river“ haben wir das wohlverdiente Mittagessen in einem neuen, schönen, buddhistischen Klosterpark eingenommen. Mittagsschläfchen inklusive. Nach einem „Spaziergang“ durch das Kloster und über ruhige Strassen entlang des Paradiessees haben wir unser Nachtlager mit Seeblick erreicht. Vor unserem Bungalow auf Stelzen – ein doppelmatratzengrosses Schlafzimmer mit kleiner Veranda – quakte ein Schwarm weisser Enten glücklich vor sich hin, wir waren die einzigen Gäste, die dem friedlichen Treiben von Schwein, Katzen und Federvieh zusahen. Ein sehr gutes Abendessen, vielleicht sogar das Beste in Vietnam, hat uns für den anstrengenden Tag entlohnt. Ohne Licht, ohne Elektrizität, blieb uns kaum etwas anderes übrig, als schon um 19:00Uhr am Kopfkissen zu horchen. Was wir hörten war sehr beruhigend, der 12-stündige Schlaf äusserst erholsam!

Der zweite Tag verlief weniger aufregend aber genauso anstrengend; Vietnam und seine Wälder, das ist ein schöner Flecken Erde!
Zurück in Dalat wollten wir so schnell wir möglich weiter. Weg von europäischen Touristen. Und so haben wir als erstes einen „lokal bus“ an den Strand von Phan Rang gebucht. Phan Rang – das kennt weder der Lonely-Planet noch irgendein anderer Europäischer Reiseführer (vermuten wir). Dafür aber ist am Strand und im Hotel alles in Russisch angeschrieben!

Zunächst haben wir gar nicht verstanden, warum. Wir schienen die einzigen Gäste im neueröffneten Hotel zu sein. Ein wunderschönes Zimmer mit Meerblick – so hat man uns gesagt. Das Zimmer ist wirklich toll, stylisch. Der Meerblick wird eingeengt vom Brachland, das sich zwischen Hotel und Strand ausbreitet. Unser Hotel steht fast alleine auf weiter Flur, in der Ferne am Ufer sehen wir eine neue Strandpromenade der Witterung ausgesetzt. 500m weiter befindet sich eine provisorische Strand-Gaststätte. Dort essen wir zu Mittag. 500g kleine köstliche Tintenfische, als Ganzes blanchiert und mit frischem Gemüse und einem feinen Sösschen serviert. Kostet ein Vermögen, denken wir, und zahlen doch nur umgerechnet 8 Euro.
Der Nachmittag wird entspannend und schön, mit einem kleinen Strandspaziergang und einem längeren Bad im warmen südchinesischen Meer (ja, so heisst das hier unten). Vor uns sind schon die Fischer ins Wasser gestiegen, oder in ihre walnussschalenähnliche Rundboote. Ungelenk rudern sie die Kähne einige –zig Meter hinaus in die Brandung und ziehen die ausgelegten Netze ein. Ein Bild, wie wir es bisher noch nie gesehen haben, geschäftig und ruhig, ungewohnt und schön. Und wir sind mitten drin!

Entlang der Strasse suchen wir ein Restaurant. Nach einem knappen Kilometer werden wir fündig, eine Strassenküche spezialisiert auf Russen. Und hier finden wir sie auch zu Hauf. Wie wir erfahren, sind die Meisten aus Sibirien, weiss und rund und froh, ihrem Winter entflohen zu sein. Es ist ein lustiger Haufen, der dort Fisch und Muscheln und Meeresfrüchte verspeist. Wir warten lange auf unser Essen, sind aber beschäftigt mit beobachten und kommentieren, so dass wir die Wartezeit kaum bemerken. Ich freue mich an den kyrillischen Buchstaben, an den Worten, die ich entziffern kann und an dem Glück der östlichsten Russen.

Früh am nächsten morgen erreichen wir den gottverlassenen Busbahnhof von Phan Rang, wo wir ein Ticket zum nächsten Ferienort für Vietnamesen erhalten. Vung Tau liegt ca. 2 Stunden per Bus südlich von Ho Chi Minh City (und 6 Stunden von Phan Rang). Die Busfahrt ist zwar anstrengend, aber da wir schon um 14:00Uhr in unserem Hotel sind, können wir auch heute wieder im Meer baden.
Der Ort selber erinnert stark an Riviera oder Costa Brava – vor ca. 20 Jahren. Alte Hotels verfallen schon langsam, überall werden neue Hotels gebaut, eines schöner und grösser als das andere. Es gibt Wasserspielzeug und Sonnenhüte zu kaufen, Sonnenbrillen und Handtücher. Abfall liegt am Strand und auf den Strassen, es herrscht ein Lärm und ein Treiben, aber irgendwie ist es wirklich nett hier. Mehrmals in den 2 Tagen gehen wir den Strand auf- und ab. Wir wandern um das südliche „Kap“, vorbei an einem buddhistischen Tempel auf einer kleinen vorgelagerten Insel und einer riesigen Jesus-Statue hoch über den Felsen des Festlandes. Wir erkunden den „vorderen“ westlichen Strand, der leider nur ein kleiner schmaler Streifen ist, und spazieren quer durch die Stadt zurück zum „hinteren“ östlichen Strand – unserem Strand. Bei einem guten vietnamesischen Kaffee beobachten wir, wie die Sonne hinter unserem Rücken versinkt und die sonnenscheuen Vietnamesen aus ihren Häusern und Hotelzimmern kriechen. Für eine Stunde ist an diesem Strand mehr los als in der Innenstadt an Markttagen. Es wird gebadet, gestaunt, gebrutzelt, gegessen und getrunken. Die besten Fotos entstehen jetzt. Aber wir bleiben sitzen, geniessen die Atmosphäre und freuen uns daran, einen für „Weisse“ untouristischen Weg eingeschlagen zu haben.

Ja, und von hier aus sind wir dann in 2 Stunden nach Ho Chi Minh City gefahren, haben einmal übernachtet und sitzen nun im Bus, zurück nach Phnom Penh, Kambodscha.