Kroatien

02.-03.08.2014, Dubrovnik
22.-31.08.2014, Slavonski Brod – Rajik – Sisak – Karlovac – Skrad – Rijeka – Buzet – Izola (Slowenien)

Von Brcko in Bosnien ist es nur ein Katzensprung bis nach Kroatien. Wir überqueren keine 400m von unserem Hotel aus die Save – und fahren durch ein anderes Land! Hier ist alles „gepützelt“, die Blumen stehen in Reih‘ und Glied in den Vorgärten und kein Grashalm ist länger als 7.59cm!

Das Bild stören jedoch die Überreste der Hochwasserkatastrophe dieses Frühlings. In Bosnien haben wir ein wenig davon gesehen, hier in Kroatien entlang der Save liegt nun haufenweise Schutt am Strassenrand. An den Hausfassaden sieht man deutlich den nassen Hochwasserstand – auf ca. 2m Höhe – und der Verputz ist an den meisten Häusern bis zu exakt dieser Linie abgespitzt, damit das Mauerwerk besser trocknen kann. An diesem ausnahmsweise sonnigen und warmen Tag sind alle Fenster und Türen geöffnet, irgendwie muss die Feuchtigkeit ja entweichen.
Wir fahren viele, viele Kilometer der Save entlang und sind erstaunt, wieviel hier durch das Wasser zerstört wurde, wieviel hier aber auch schon wieder aufgebaut und neu gestrichen ist.

 

Unser Weg führt uns durch Strassendörfer, wir bemerken kaum, wann wir das eine Dorf verlassen und das andere erreichen. Haus an Haus, alle im gleichen Stil gebaut. Beidseitig zwischen Häusern und Strasse befindet sich ein ca. 5m breiter Rasenstreifen, auf dem Bäume stehen und Bänke um ein Schwätzchen zu halten. Und auch hier wieder ist kein Grashalm länger als 7.59cm, aus jeder Ecke dröhnt ein Motor und wir beschliessen auf den ersten 20km, dass Kroatien das Land der Rasenmäher ist.

Das Dorfzentrum, und derer gibt es viele, finden wir immer schnell, denn dort steht eine Kirche, eine Katholische Kirche, wie immer wieder betont wird. Später erfahren wir dann, dass nach dem Krieg der Vatikan Gelder für Wiederaufbau gegeben habe. Sicherlich für den Wiederaufbau der vielen Kirchen. Und ein kleiner Batzen ist dann noch übrig geblieben. So hat jeder Haushalt einen Rasenmäher erhalten.

Kroatien hat eine spezielle Geographie. Zum einen gibt es also Nordkroatien zwischen Vukovar im Osten und Istrien Westen, zum anderen besitzt Kroatien einen langen und schmalen Mittelmeer-Küstenstreifen, der sich fast bis nach Dubrovnik in den Süden hin zieht. Aber eben nur fast, denn bei Neum hat auch Bosnien, das östlich dieses Küstenstreifens liegt, Meerzugang. Wenige Kilometer weiter südlich befindet sich Dubrovnik. Viele Jahrhunderte lang war dies eine unabhängige Stadtrepublik, jetzt ist es Teil Kroatiens.

Mit zitternden Fingern schiebt sie eine Haarsträhne hinters Ohr. Sie muss stehenbleiben, um weiter zu sprechen. Ihre Augen sind hinter der klassischen Sonnenbrille kaum auszumachen. Sie war hochschwanger, damals am Niklaustag, am 06. Dezember 1991, als von den Bergen die ersten Schüsse fielen. Ihre Tochter ist wenig später in einem Keller geboren, ohne Wasser, wie sie betont, unter schlechtesten hygienischen Bedingungen.
Wir hatten sie nach dem Weg gefragt, in Dubrovnik, und nach den Hotels am Strand von Kupari. Das ist der Krieg, sagt sie. Nicht ganz unvorbereitet aber doch unbewaffnet wurde die Stadt von Serbien und Montenegro im Befreiungskrieg angegriffen. Militär gab es schon lange nicht mehr hier und die Söhne der Stadt hatten noch nie eine Waffe in der Hand. Ziel war es, die Bewohner zur Massenflucht zu bringen, und dazu wurde die Festungsstadt von Land und Wasser zugleich bombardiert. Die Massenflucht hat nie stattgefunden, die historische Altstadt ist in weiten Teilen spurlos restauriert worden. Aber in Kupari, in Cavtat, entlang der Küste unweit Dubrovniks stehen verlassene und zerschossene Villen, Häuser und Hotels. Zeitzeugen eines Kriegs der niemals hätte stattfinden sollen.

Die Stadt selber hat uns gut gefallen. Sie ist jedoch ein touristisches Highlight, auf jeder Ex-Jugoslawien-Reise mitgebucht und heillos überlaufen mit Menschen, die hier nicht wohnen. Wir waren nach einem Tag froh, wieder auf unseren Rädern zu sitzen und nach Bosnien einzureisen.

Mittlerweile haben wir mehr von Kroatien gesehen, mittlerweile wissen wir, dass ein Kaffee in diesem Land nicht 3 Euro kosten muss und die Pizza an den meisten Orten immer noch für 5 Euro zu haben ist.
Kroatien ist mehr als erwartet zu einem Durchreiseland für uns geworden. Ein Durchreiseland auf der Heimreise, ein Durchreiseland ohne grossartige Eindrücke, ein bequemes Durchreiseland mit allem europäischen Komfort.

Slavonski Brod beschert uns Regen und eine hübsche aber ruhige Stadt mit einer Festungsanlage aus dem 18.Jh, auch das verregnete Karlovac hat ausser der sternförmigen Festungsanlage und einigen gut erhaltenen Häusern aus dem 19.Jh nicht viel zu bieten – sieht man mal von dem alljährlichen und gerade jetzt stattfindenden Bierfest ab. Sisak hat uns gar nicht gefallen, wir sind schnell weiter gefahren, und Rijeka am Meer, am Tor zu Istrien, ist eher schon Italien.

Wunderschön ländlich und untouristisch – wie auch schon die Städte – war die Radreise durch die Posavina. Hier, entlang der mäandernden Save, haben wir täglich 100km zurücklegen können. Hier haben wir Menschen getroffen, die sich mit uns unterhalten haben, hier haben wir Häuser gesehen wie sonst noch nicht auf unserer Reise. Die Posavina sowie das Lonjisko Polje waren ursprünglich eine Sumpflandschaft, durch Wassergräben bewohnbar gemacht. Noch vor 100 Jahren wurde beim Hausbau kein Nagel, keine Schraube verwendet. Alles wurde aus ineinanderfassenden Eichenbalken und –brettern hergestellt. Teilweise werden die Häuser auch heute noch bewohnt, teilweise stehen sie windschief und verlassen auf ihren grossen Grundstücken.

Der Angler hat seit Jugend in Deutschland gelebt, ist nach der Pensionierung zurückgekehrt an die gemächlich dahinfliessende Save und in die Ruhe dieser Landschaft. Es ist jedoch nicht immer so ruhig hier gewesen, wie er erzählt. „Dort drüben!“ er zeigt mit dem ganzen ausgestreckten Arm gen Osten, „Dort drüben in Jasenovac war das Konzentrationslager. Das erste und das grösste in Kroatien. Hier wurden Serben Juden und Roma zur Arbeit gezwungen oder einfach niedergeschossen!“ Das war 1941. Später kam Jugoslawien und alle Männer im Nachbardorf wurden einbestellt zum Brückenbau. Dies war ein Vorwand, wie er sagt, um sie aus ihrem Dorf herauszuholen. Kurze Zeit später lebten in diesem Dorf 92 Witwen. Grund sei gewesen, sagt er, dass diese Familien ihrem katholischen Glauben treu blieben.
Schaut man sich um, in dieser ruhigen und friedlichen Natur, kann man sich solche Gräueltaten gar nicht vorstellen. Und doch hat noch mehr Gräuel stattgefunden, in den Jahren 1991-1995, dem Kroatienkrieg, wurden tausende Häuser zerstört. Viele stehen immer noch zerschossen da, die meisten sind jedoch schon abgerissen und durch neue Backsteinbauten ersetzt. Ganze Strassenzüge zwischen Slavonski Brod und Nova Gradiska bestehen aus Rohbauten, bewohnt, geschmückt und mit gemähtem Rasen. Es sind viele Gelder geflossen in die Länder Ex-Jugoslawiens. In Kroatien wurden davon – wie schon erwähnt – Kirchen gebaut, Rasenmäher gekauft, Häuser neu gebaut und an jeder Strassenecke – auch dafür hat der Vatikan offensichtlich etwas Geld übrig gehabt – eine Heiligenfigur oder Kapelle aufgebaut.

Das Wetter meint es nicht so gut mit uns. Auf den einen oder anderen Sonnentag folgt mit Sicherheit schon bald ein Regentag. Aber in Sisak wollten wir zelten. Die Frage war nur. Wo? In diesem Land ist es verboten, wild zu zelten und wir wollten vermeiden, in der Nacht von zwei unterforderten Polizisten zur Weiterreise aufgefordert zu werden. Also müssen wir in diesen Land immer Privatpersonen fragen. Gemähten Rasen gibt es genug, aber die dazugehörigen Menschen sehen wir nur über Tag. Um 17:00Uhr scheinen die Vorgärten leergefegt.

Aber dort, im kleinen Dorf Zabno bei Sisak, dort mäht „Ivan der Schrecklich“ – wie er sich selber nennt. Er mäht die Zufahrt zu seinem „Kleintierzoo“. Ivan hat 30 Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet. Mit dem Fall der Mauer sei er nach Kroatien zurückgekehrt. Aber der Zeitpunkt war schlecht gewählt, bald schon begann der Krieg und seinen Markisen- und Storen- Laden konnte er nicht eröffnen. Dennoch hat er das Geschäftshaus weitergebaut, hat mit seinem Bruder auf dem Dachboden geschuftet, während die eine oder andere Granate auch auf Sisak traf. Dieses nie fertig gestellte „Geschäftshaus“ beherbergt nun Muttersäue, Gänse, Hühner verschiedener Rassen, Kaninchen und Katzen. Und mittendrin, auf der Wiese, haben wir unser Zelt aufbauen dürfen. Kurz bevor Ivan dann in sein Auto mit Berliner Kennzeichen stieg, um nach Haus zu fahren, meinte er noch, er käme dann mit Frühstück wieder. Und zu einem Balkan-Frühstück gehört immer auch ein Rakija. Eine ganze Flasche hat er uns mitgebracht. Bier nicht, da wir am Vorabend schon meinten, mit Bier zum Frühstück könnten wir nicht gut Rad fahren.

Wir haben also bei Ivan gezeltet, aber auch auf der Wiese einer Kroatischen Kleinfamilie in der Posavina. Wir haben zelten dürfen mitten in Skrad, auf der Wiese der Stadtkirche mit Blick auf den Friedhof und Blick ins Tal „Zeloni vir“. Dafür musste natürlich erst der Major gefragt werden, und das haben die zwei jungen, englisch sprechenden Frauen in Angriff genommen. Ein Telefonat später waren wir schon auf dem Weg zur Kirche. Wir haben ebenfalls gezeltet in Buzet, das schon zu Istrien gehört auf der grossen Wiese an der Hauptstrasse und mit Blick auf die wunderschöne Altstadt auf dem Hügel.

Die Menschen in Kroatien sind reserviert. Oft fühlen wir uns ignoriert, manchmal werden wir tatsächlich ignoriert. Schon die kleinen Kinder – in anderen Ländern fröhlich, lachend und neugierig – schauen uns ernst an ohne die Miene zu verziehen und wenn wir winken und lächeln drehen sie sich um, laufen weg.
Falls wir es aber dann doch geschafft haben, Kontakt zu knüpfen, geht kein Gespräch ohne ein Glas Rakija. Der ist meist selbstgebrannt und schwankt erheblich in der Qualität. Wir haben alles schon kosten dürfen; „gourmet“-Rakija und „Essigwasser“. Letzteres haben wir (hoffentlich) ohne es uns anmerken zu lassen, in Rijeka kurz und schmerzlos hinuntergeschüttet. Die alte Dame vermietet Zimmer im Zentrum der Stadt und wir waren heute ihre zweiten Fahrradgäste.

Von Kroatien haben wir auf unserem Weg sicherlich nicht den schönsten Teil gesehen, wir haben auch nicht das beste Wetter gehabt. Rijeka hat uns ein wenig vom südlichen Flair Kroatiens spüren lassen, unsere Fahrt durch den kleinen Teil Istriens hat Lust auf „mehr“ gemacht. Wir sind teilweise durch sehr mitteleuropäische Landschaften geradelt, durch grüne und verregnete Mischwälder, über Hügel und auf guten Strassen. Wir merken dass wir der Heimat immer näher kommen!

Das merken wir auch an den Fahrradschildern, die seit dem Grenzübertritt in Brcko immer wieder zu finden sind. Wir wollten den Parenzana-Radweg fahren und haben deshalb einen – schönen – Umweg entlang der Grenze zu Slowenien in Kauf genommen. Dieser Radweg sollte uns von Motovun bis nach Triest bringen. Aber nach 20km mussten wir aufgeben. Die Strecke ist wunderschön, eine alte Bahnlinie. Aber mit schwer bepackten Rädern nur bedingt zu befahren!

Auf Slowenischer Seite haben wir den Weg per Zufall jedoch wieder gefunden, schön geteert hat er uns bis nach Izola gebracht, wo wir ein Zimmer gemietet haben. Schon wieder stürmt und regnet es und wir reisen erst morgen weiter!