USA 2009

Massachussetts -> New Hampshire -> Maine -> Vermont -> Massachussetts

 

Neben der salzigen Luft des Atlantiks begleiten uns die gelb-organge-roten Blätter des Indian Summers entlang der Strassen durch New England. Kleine Dörfer mit noch kleineren Drugstores fliegen an uns vorbei und es scheint, als wären die freihängenden Telefonleitungen unsere Glücksbringer. Genüsslich tunken wir den frischen Hummer in die Buttersauce, schlürfen die heiss dampfende Krebssuppe und bestaunen die Berge von goldenen Pancakes zum Frühstück. Bodenständig sind sie, die Menschen in Maine, New Hampshire, Vermont und Massachussetts. Nur selten hören wir «oh, how great», sehen keinen Hollywoodglitzer, auch keine überdimensionierten Autos oder lüstern lockende Fastfoodketten an jeder Ecke, dafür unzählige hübsche kleine Cafés, Pubs und Strohpuppen mit geschnitzten Kürbissen auf Besenstielen. Während wir uns kugeln vor Lachen beim Anblick der Jagdutensilien in den Einkaufszentren – es gibt Kopfbedeckungen mit Hirschgeweih für den Jäger zu kaufen – geniessen wir das Flair des englischen Einflusses auf die Region. Hier sind sie nach wochenlanger Reise über den Atlantik angekommen, die Pilgrim Fathers, die ersten Siedler des Kontinents. Viel Hoffnung, Krankheiten und die Bibel im Gepäck. Wie die ersten Siedler zieht es auch uns von Ort zu Ort. Einige Nächte im Zelt sind herbstlich kalt, gleichzeitig schleicht der Morgennebel über die Seen und treibt uns oft zu einem grossen Pappbecher mit dünnem Kaffee – «Good morning, my name is Joyleen and I’m at your service. Please let me know if there’s anything I can do for you.». Die roten Backsteinhäuser von Boston beeindrucken tagsüber. Das Nachtleben weniger, es fehlen die kleinen Lokale, die Live-Musik, aber auch die Menschenmassen. So als hätte der radikale Puritanismus seine Wurzeln noch immer tief in der Gesellschaft. Und immer wieder erfahren wir, dass man nicht hinter der Bush-Administration stehe, dass man die Demokraten wähle und dass man sich eine offene und pluralistische Gesellschaft wünsche. Das Bier in einer Papiertüte versteckt, die Erdnuss-Pralinen im Handschuhfach und die farbenprächtigen Wälder des Indian Summer im Blickfeld, geniessen wir Neuengland. Aus den Lautsprechern des Autoradios galoppiert Johnny Cash, unseren imaginären Cowboy-Hut ziehen wir uns etwas tiefer ins Gesicht und wir kurven genüsslich über die von der lieblichen Abendsonne beschienenen zarten Hügeln dem rosaroten Horizont entgegen.