Kosovo

20.-22.07.2014, Rakai – Vushtrri – Mitrovica

Vor uns türmen sich hohe Berge auf. Wir sitzen im Bus von Prishtina nach Podgorica, nachdem wir nur knappe drei Tage in diesem jüngsten Land Europas verbracht haben. Der Grenzübertritt war einfach und speziell zugleich. 22km nördlich von Skopje, und nachdem wir am Morgen die heimliche Zigeunerhauptstadt Shutka besucht hatten, erreichten wir die Passkontrolle der Ausreise – und wurden auf Deutsch sehr freundlich abgefertigt. Genauso freundlich und ebenfalls auf Deutsch fand die Einreise in den Kosovo statt. Es heisst, wenn man über den Kosovo einreist, hat man eigentlich keine Aufenthaltsgenehmigung für Serbien, da man nun nicht mehr offiziell nach Serbien einreisen kann. Dies allein zeigt deutlich, dass der Konflikt zwischen den beiden Ländern bei weiten noch nicht beendet ist.
An der Grenze herrscht lebhaftes Treiben, die Nummernschilder der grossen und teuren Autos sind mehrheitlich aus der Schweiz oder Deutschland und immer wieder treffen wir auf vollgeschmückte Wagen. Es wird – so scheint es – „um die Wette“ geheiratet, das Geld dafür wurde im Ausland verdient.

 

Im Kosovo, wie auch in den kommenden Ländern unserer Rückreise, gibt es viele Berge. Wir haben uns die Strecke durch die Ebene von Prishtina bis nach Mitrovica ausgesucht, denn von dort soll – so haben wir gelesen – ein Bus durch die hohen Berge Montenegros bis nach Podgorica fahren.

In Rakai am ersten Tag angekommen, suchen wir uns ein Plätzchen zum Zelten. Die Hauptstrasse ist stark befahren, im Dorf ist nichts los – wir finden dann doch einen Autofahrer, den wir fragen können, ob wir denn wohl auf dieser Wiese mit den Heuballen unser Zelt aufschlagen dürften. Er schaut uns an, als hätten wir eine der dümmsten Fragen gestellt und meint: Natürlich! Irgendwie ist uns dennoch nicht wohl und wir fragen einen weiteren jungen Mann, der mit Kopfhörern im Ohr die Strasse entlang spaziert. Gleicher Blick, gleiche Antwort.

Unser Zelt steht bald schon und von der Strasse her hören wir immer wieder ein freundliches Gehupe oder ein „Hallo!“. Ein Kleintransporter fährt auf die Wiese und die beiden jungen Männer würdigen uns erst keines Blickes, dann winken und lächeln sie doch. Wir helfen ihnen, die Heuballen aufzuladen, quasi als Bezahlung für den Campingplatz. Sie verstehen das gar nicht, logisch können wir hier zelten und logisch sollen/dürfen/müssen wir nicht helfen!

Am folgenden Tag entscheiden wir uns spontan, eine andere Strecke zu fahren. Nebenstrassen statt Hauptstrasse, denn der Verkehr ist einfach nur furchtbar. Dafür sehen wir nun stundenlang das Kraftwerk von Prishtina, wir sehen weite Ebenen, Abfallberge dort, wo eigentlich kleine Bäche fliessen und äusserst unattraktive Ortschaften. Zum Glück ist der letzte Teil bis Vushtrri schön zum Ansehen, schön zum Fahren über Land. Wir treffen viele nette Menschen, von denen natürlich auch wieder viele Deutsch sprechen können, aber wir sehen auch viel Armut. Das Land ist noch jung; welchen Weg es in Zukunft nehmen wird, ist für uns nicht absehbar. Sicher aber einmal nützt es dem Land wenig, wenn die Bewohner im Ausland arbeiten. Dieses Geld, was im Ausland verdient wird, muss einerseits in teure Autos mit schweizer oder deutschen Nummernschildern umgesetzt werden – man muss ja zeigen, das man es zu etwas gebracht hat, andererseits wird dieses Geld zu grossen Teilen auch „nach Hause“ geschickt. Hier, im Kosovo, bauen dann der Vater, der Onkel oder der Bruder ein neues Haus. Überall wird gebaut, alles ist irgendwie halbfertig, nur wenig sieht harmonisch aus und heimelig ist es in dem Teil des Landes, den wir gesehen haben, schon gar nicht!
Uns scheint auch, dass wir neben der hübschen blauen kosovarischen Flagge unverhältnismässig oft die rote albanische Flagge mit dem schwarzen Doppelkopfadler wehen sehen. Und dann stolpern wir gewissermassen über ein UCK – Mahnmal und einen Friedhof für die gefallenen Kämpfer von 1999. Die Serben – so erzählt uns ein ehemaliger Flüchtling der in der Schweiz viele Jahre gewohnt und gearbeitet hat – die dürfen schon hier wohnen, einfach keinen Ärger machen. Es gäbe aber noch drei serbische Hochburgen hier im Kosovo, eine davon in Mitrovica, wo es immer noch zu kleineren Unruhen komme.

Mitrovica erreichen wir nach kurzer Fahrt von Vushtrri aus. Der Plan ist, dass wir am Busbahnhof ein Ticket für morgen kaufen und heute hier übernachten. Manchmal kann es aber doch anders kommen, als geplant und so fährt unser Bus nach Prishtina (also zurück !!) um 16:00Uhr; um 19:00Uhr geht’s von dort weiter. Was machen wir nur mit den Rädern, die uns ein Klotz am Bein sind, wenn wir Mitrovica erkunden wollen?
Kurzerhand fragen wir den Angestellten in einem Handwerker- und Möbelgeschäft an der Hauptstrasse, erklären ihm dass wir in 3 Stunden wieder zurück seien und ob wir ihm Räder und Gepäck in Obhut geben könnten.
Die Menschen hier sind so schön unkompliziert. Obwohl der junge Mann sicher noch nie zuvor diese Frage gestellt bekommen hat, hat er schon eine Antwort parat. Wir dürfen unsere vollbeladenen Ungetüme durch das grosse Treppenhaus wenige Stufen hinunter zur Möbelausstellung stellen. So ganz passen sie nicht hierher, aber das stört niemanden, und wir vertrauen diesem Menschen, diesem Ort, können beruhigt zu Mittag essen und einen Kaffee trinken. Wir finden sie nicht, die Brücke, die von Blauhelmen bewacht wird und in den serbischen Stadtteil führt. Dabei sind wir offensichtlich ganz in der Nähe gewesen, auf „albanischer“ Seite, vor der riesigen und neuen Moschee. Der 19-jährige Traveller im Bus meinte eben, dies sei für ihn der spannendste Tag in 2 Monaten gewesen, der spannendste Moment, als er diese Brücke überquert hat.

Der Kosovo hinterlässt bei uns einen leicht schalen Geschmack. Die Schweiz hat dieses Land als erstes anerkannt. Wir hören immer wieder Sätze der Dankbarkeit dafür. Der Kosovo ist arm – wir sind doch tatsächlich an einem Pferdefuhrwerk-Taxistand vorbeigekommen – und unaufgeklärt, was Naturschutz, was Abfallentsorgung angeht. Wir sehen protzige Autos und armselige Städte. So richtig wohl haben wir uns nicht gefühlt und wir sind nicht traurig, heute schon weiter zu reisen.

Jetzt sitzen wir also hier im Bus, haben uns für die einfache Variante entschieden, die schwarzen Berge Montenegros zu überwinden. Und schwarz sind sie, die Berge, die sich plötzlich und steil vor uns zeigen! Die Dämmerung hat lange schon eingesetzt, seit 15 Minuten dürfen die nicht-reisenden Muslime wieder essen, und der Himmel ist wolkenverhangen. Unser Bus braucht für die 245km wohl gute 7-8 Stunden und im Internet haben wir gelesen, dass ein guter Magen – oder gute Medikamente gegen Übelkeit – eine Grundvoraussetzung für diese Passage seien. Roman hat daraufhin 2 Itinerol „eingeworfen“ ganz nach der Devise „viel hilft viel“; ich habe eine Plastiktüte in der Hosentasche, vertraue aber eigentlich meinem guten Magen.