Deutschland 2020

Maske an, los geht’s.

Nicht etwa, wie schon lange geplant, mit der Transsib quer durch Russland und dann über Japan, Südkorea nach China. Nein, die drei Reisemonate haben wir aufgeschoben, da ist uns so ein winziges Etwas dazwischengekommen.

 

 

Stattdessen haben wir uns aufgemacht nach Deutschland; mit Maske und mit den Rädern, bei sommerlichen Temperaturen. Unser erstes Ziel: Köln. Ein Spaziergang durch die Altstadt zeigt uns, wie klein diese doch ist, mit schön erhaltenen Häusern am Rheinufer, stark an ein Fischerdorf erinnernd. Jetzt ist dort Flanier- und Fressmeile mit Flair. Das Kölsch schmeckt gut, ein zweites hat auch noch Platz und danach fliehen wir vor dem Gewitter in unser Sommerhitze-Zimmer. Bei 28°C schlafen wir mehr schlecht als recht, schaffen aber am folgenden Tag die knapp 80 geradelten Kilometer von Köln nach Aachen recht gut.

Es ist schön, «zu Hause» zu sein, bei meinen Eltern! Hier machen wir für 2 Nächte Zwischenstopp, bevor wir uns auf die Wasserburgenroute begeben. Eigentlich eine schöne Strecke, eigentlich eine gute Idee. Leider ist es nicht ganz einfach, für uns passende Unterkünfte zu finden und so radeln wir täglich um die 90km.

Der Weg nach Heimbach am Rande der Eifel ist wunderschön, anstrengend und irgendwann zu lang. Der Ort selber ist, wie wir erfahren, die «kleinste Stadt Nordrhein-Westfalens» mit 4328 Einwohnern. Es ist Montag und die Restaurants haben geschlossen. In der Eisdiele sind wir die letzten Kunden vor Ladenschluss. Das Eis schmeckt gut!

Auf dem Weg nach Bad Godesberg am nächsten Tag fahren wir über verschiedene Hügel und Felder bei mittelmässigem Wetter, wir passieren – wie schon am Vortag und in den kommenden Tagen – viele Wasserburgen, die zum grössten Teil in Privatbesitz sind. Somit können wir sie von aussen bestaunen, aber noch nicht einmal in den Innenhof fahren. Schade, da haben wir mehr erwartet. Insbesondere fehlen uns die Kaffee-und-Kuchen-Restaurants, in denen wir unsere Muskeln ausruhen und den Gaumen verwöhnen könnten. Dennoch ist die Strecke schön, wir werden weit um die Städte herumgeführt, viel Natur, viele kleine Dörfer. Obwohl ich im Westen Nordrhein-Westfalens aufgewachsen bin, ist mir diese Gegend unbekannt! Namen wie «Tötschberg», «Rissdorf», «Kreuzweingarten» habe ich noch nie gehört!

Da ist er, der Rhein! Wir treffen auf diesen Strom in Mehlem (nie gehört!) und blicken auf den Drachenfels! Eindrucksvoll! Die Drachenburg im Blick radeln wir nun gen Norden und durchfahren ein Villenviertel in Bad Godesberg auf dem Weg zum Hotel auf dem Berg. Bei schönem Wetter hätten wir gerne einen abendlichen Bummel durch die Rheinstadt gemacht und diese Höhenmeter noch einmal auf uns genommen. Leider regnet es in Strömen und wir beenden den Abend bei «deutschen Spaghetti» und Kölsch hoch über der Stadt.

Zum Glück klart es in der Nacht auf und der Weg nach Bergheim ist «frei». Neunzig eher unspektakuläre Kilometer liegen vor uns, sie fahren sich jedoch gut, vor allem entlang der Erft, und Bergheim erreichen wir so rechtzeitig, dass wir bei Sonnenschein vor dem Abendessen noch eine gute Stunde in einem Kaffee verbringen können – sitzen, lesen, Leute beobachten. Bergheim ist ganz hübsch und zum Abendessen finden wir ein kleines Restaurant mit lokaler Küche. «Rievkooche», also Reibekuchen! Mmmh!

4 Tage im Zickzack-Kurs entlang der Eifel und durch ehemaliges Tagbaugebiet, lange Fahrten durch Zuckerrübenfelder soweit das Auge reicht. Und nun landen wir in Alsdorf, einer Arbeiterstadt, einer ehemaligen Bergbaustadt im Schatten der roten (Wasser-) Burg.

Nirgendwo sonst innerhalb der letzten Tage sind uns derart viele Migranten begegnet, nirgendwo sonst wurde so wenig Deutsch gesprochen. An einer Strassenecke, gegenüber des Cafés Shqiponja, essen wir eine sonderbare Pizza in der Pizzeria Napoli – geführt von einem Marokkaner. Im Blick haben wir ein steinernes Kreuz, rechts dahinter wirbt Aliji Bayram mit neuen Frisuren und weiter hinten sehen wir den Eingang zur Moschee. Im Eiscafé sind Frauen mit Kopftüchern in der Überzahl und die Melonen im Türkischen Supermarkt sehen superlecker aus.

Der restliche Weg ist nun überschaubar, entlang der Wurm führt er uns noch über Burg Rode und Burg Wilhelmstein zurück in die historische Altstadt von Aachen – und somit zu einem zweiten Zwischenstopp bei meinen Eltern.

Sowohl den Besuch bei Kaiser Karl mit Reichsapfel und Zepter, stoisch wachend auf seinem Brunnen vor dem Rathaus, als auch den Ausflug zum denkmalgeschützten Klinikum Aachen

machen wir jeweils vor dem Frühstück, denn gegessen wird in der Arndtstrasse eher spät. Und dann entsteht hier langsam der Plan, wie es nun weiter geht, zurück in die Schweiz. Wir suchen und «googeln» und einigen uns schliesslich auf eine Fahrt entlang des Rheins. Denn leider, leider mussten wir unsere ursprünglich geplante Route aufgeben. Belgien, insbesondere Antwerpen, aber auch der Vennbahnradweg nach Luxemburg hätten uns sehr gereizt. Doch Masken tragen in der Öffentlichkeit sowie 12 Tage Quarantäne nach der Rückkehr aus diesen Ländern waren keine Option.

Bonn – Koblenz – Mainz – Heidelberg – Karlsruhe und Offenburg. Von Stadt zu Stadt, den Wind im Gesicht und täglich 100 Kilometer. Der erste Teil führt uns nah am Wasser, Koblenz kennen wir schon, Mainz ist eine Überraschung. Wir sind erstaunt, so viel Leben, so viel Gemütlichkeit zu finden und könnten uns sehr wohl und sehr gut vorstellen, in dieser Stadt zu leben! Sie bietet Altstadtflair und Studentenfeeling, Eiscafés und Pizzerien und jede Menge Menschen, die den Sommerabend geniessen.

In Heidelbergs Altstadt übernachten wir feudal, im «Weissen Bock». Ein empfehlenswertes Hotel, dem wir gleich 2 Nächte treu bleiben. Am ersten Abend treffen wir uns, sehr spontan und ungeplant, mit Helmut und Uli aus Wien. Helmut hat uns 2013 in Edirne (Türkei) angesprochen. Ein Abend mit angeregten Gesprächen – und seither treffen wir uns gerne, immer wieder anderswo auf dieser Welt. Reisende laufen sich halt zwangsläufig das eine oder andere Mal über den Weg.

Heidelbergs Altstadt – über der das eindrucksvolle Schloss thront – ist wirklich sehenswert und genau deshalb (und trotz Corona) mit Touristen überfüllt. Was die meisten Besucher nicht sehen, sind die Randbezirke, nicht schöner als in jeder anderen Grossstadt mit Hochhäusern, Billig-Lebensmittelläden, breiten Strassen, viel Verkehr und dem ein oder anderen Spielsalon.

Wo wohnen die Studenten? Hier, wo es unschön aber zweifelsohne preiswerter ist, oder in den Hintergassen der Altstadt? Wo lebt die (Sub-)Kultur in Heidelberg? Wir haben es nicht ganz herausgefunden.

Auf dem Weg nach Offenburg werden wir zum ersten Mal so richtig nass …. so richtig nass!!!

Ein Landregen macht sich breit, schnell ist auch die Regenjacke durchnässt. Aber zum Glück frieren wir nicht, wir fahren weiter, stoisch und geübt – das machen wir ja nicht zum ersten Mal! Nach 2 Stunden verheddern sich die Wolken an den Hängen des Schwarzwaldes, grau in grau am Himmel, die Erde leuchtet grün in grün – fast schon ein Gemälde.

Kurz vor dem Ziel unserer letzten Etappe in Deutschland wagen wir es. Wir sind kilometerweise über Strassen gefahren, die von Obstbäumen gesäumt waren. Äpfel, Birnen, Zwetschgen. Faules Obst am Boden, viele Wespen und saftige Früchte an den Zweigen. Hier und jetzt, 10km vor Offenburg, glänzen die Zwetschgen verheissungsvoll. Wir legen eine Vollbremsung hin und erfreuen uns an diesem köstlichen Geschmack. So lange bis ein Wagen vor uns hält und ein wütender Obstbauer uns klar macht, dass dies ganz sicher nicht unsere Zwetschgen sind. …

Er hat ja so recht! Ein wenig kleinlaut ziehen wir ab.

Was ist uns geblieben von dieser Deutschlandtour?

  • Wir sind froh, trotz aller Umstände wenigstens hierher reisen zu können!
  • Landschaftlich war diese Route durchwachsen, mehr langweilig als interessant.
  • Ja, wir können es! Wir können viele Tage hintereinander 90-100km pro Tag fahren. Macht das Spass? Bedingt. Manchmal ist weniger vielleicht mehr.
  • Kulinarisch ist Deutschland für unsere Gaumen manchmal eher ein Angriff als ein Genuss. Auch hier: weniger ist manchmal mehr!

Wir haben daraus gelernt und deshalb: Deutschland, wir kommen wieder! Du hast noch viele schöne Ecken!