Georgien

06.-22.06.2014, Tbilisi – Mskheta – Kasbegi (Stepansminda) – Sighnaghi – Borjomi – Kutaisi – Batumi

Diese andere, diese neue Welt, hat uns schon im Flugzeug begrüsst! Zunächst sind wir erschrocken, über die Kraft der Stimmen, das Gewusel, die langen und breiten Nasen. Die Menschen hier haben für uns mit Kasachstan – mit Zentralasien – gar nichts mehr zu tun. Doch mit dieser Vermutung liegen wir nicht ganz richtig. Das Flugzeug ist zur Hälfte gefüllt mit aufgedrehten Männern um die 75 Jahre. Sie alle wurden als Kinder mit ihren Familien aus Georgien nach Kasachstan deportiert – zwangs-umgesiedelt. Sie sind Muslime, ursprünglich vielleicht sogar Türken, und der „grossen Säuberung“ unter Stalin zum Opfer gefallen. Nun reisen sie zum ersten Mal zurück in das Land, in dem sie geboren sind, zurück in die Dörfer, die sie nur aus den Erzählungen ihrer Eltern kennen. Die Aufregung ist verständlich!

 

Wir hatten alles gut organisiert, wurden in Tbilisi von Gaga (ja, so heisst er, und so ist er) am Flughafen abgeholt. Es ist kurz nach Mitternacht und die Stadt lebt und bebt. Leider gefällt uns Gaga’s Hostel nicht. Auch hier lebt und bebt es immer noch – die Luft ist Rauch- und Alkohol- geschwängert und unser geräumiges Zimmer hat kein Fenster. Aber der nächste Morgen hat uns ganz in der Nähe zu einem hübschen kleinen „Hostel“ geführt – eher ein Einfamilienhaus am Ende eines Hinterhofes. Wir teilen uns dieses kleine Häuschen mit zwei jungen reisenden Nordamerikanern, es ist sehr gemütlich! Im Hinterhof ist immer etwas los, zumindest wird unter dem lichten Weintraubendach gesessen und gegessen, was das Zeug hält. Es ist wie auf einem Dorfplatz, und am Abend spielt eine junge Frau auf der Panduri (Langhalslaute) zur Begleitung der (Trink-)Lieder. Ein neues Land, eine neue Erfahrung.

Alles ist überschäumend hier, die Natur, das Wetter, die Menschen, der Fahrstil, der Wein!
Tbilisi ist eine hübsche, kleinstädtische Hauptstadt, schön restauriert mit Hostels und Hotels für jede Geldbörse. Tbilisi hat eine Altstadt und mehrere Stadtzentren, jedes voller Leben, Restaurants, Cafés und Alleen. Wir fühlen uns wohl, geniessen den Ausblick vom „Hausberg“, statten allen wichtigen und ein paar unwichtigen Kirchen einen Besuch ab und erfreuen uns am südländischen Flair.
Georgien erfährt unübersehbar einen Aufschwung, zumindest einmal die Fassaden vieler Gebäude wurden erneuert. Es wird – zu Recht – in den Tourismus investiert, und die Touristen kommen! Sie kommen wegen der Geschichte, sie kommen wegen der Landschaft und sie kommen wegen dem Wein.

Unser Ausflug nach Mskheta hat uns dann zwar ein wenig ernüchtert. So ein richtiges Touristenstädtchen, von denen wir hoffen, nicht mehr allzu viele anzutreffen. Wir haben das Beste daraus gemacht und sind (für relativ viel Geld) mit dem Taxi zu einer Bergkirche und noch viel weiter zu einem Bergkloster gefahren.
Es gibt offensichtlich an die 3000 Kirchen und Kirchlein in Georgien, die meisten davon auf einem Hügel oder Berg, da der Gläubige (und auch alle anderen Besucher) sich zunächst in Busse üben sollen, bevor sie vor den Schöpfer treten. Es ist Pfingsten und der Boden einer jeder steinernen Kirche ist mit Heu, Gras oder Schnittblumen bedeckt. Dies „ziert“ nun eine Woche lang die Gotteshäuser der georgisch-orthodoxen Kirche bevor die Böden gereinigt werden.

Die georgischen Kirchen haben ihren ganz besonderen Reiz. Meist sind es kleine Kreuzkirchen ohne Sitzbänke und mit Ikonen/Heiligenbildern an den Wänden. Diese sind entweder gerahmt oder direkt auf den verputzten Stein gemalt (Fresken). Der rohe Stein zusammen mit den hohen Gewölben wirkt rau und urtümlich. Und diese urtümliche Religion ist immer noch (oder schon wieder) tief im Georgier verankert. Kaum einer, der sich nicht bekreuzigt, auf der Autofahrt vorbei an einer Kirche. Und auf unserem Weg nach Stepansminda, dem letzten grösseren georgischen Ort hoch in den Bergen auf der Militärstrasse nach Vladikavkas in Russland, sitzt in unserer Marschrutka ein kleines Kirchenchörlein, 6 Leute an der Zahl, die uns die Fahrt mit georgischen – gregorianisch anmutenden – Kirchenliedern zu Ehren des heiligen Georg versüssen. Dieser Drachentöter und Schutzheilige begegnet uns immer wieder, auf Gemälden, Fresken und hoch oben auf dem Kreuzpass im grossen Kaukasus. Dort ziert er gleich zwei Mal die halbrunde Betonwand eines überdimensionierten und eigentlich sehr sowjetischen Aussichtspunktes über das fruchtbare Tal.
Kvemo Mleti ist ein wenige-Seelen-Dorf auf dem Weg nach Kasbegi (Stepansminda). Den Namen der winzigen Kirche kenne ich nicht, aber es scheint das Fest des Schutzheiligen zu sein. Entlang der Durchgangsstrasse hängen Schafsleiber von Stangen, werden gehäutet und ausgenommen. Menschenmassen haben sich rund um die Kirche, entlang des Flusses und im Berghang eine provisorische Unterkunft gebastelt aus Plastikplanen und belaubten Ästen. Denn regnet schon wieder, wie bisher jeden Tag in Georgien. Der Kirchhof ist längst matschig, was aber niemanden daran hindert, ausgelassen zu feiern. Überschäumend ist ein Wort, das sehr gut zu Georgien passt.

Die letzten 70km, vom Schloss Ananuri aus (eine Enttäuschung!) reisen wir „auf dem Daumen“ weiter, denn die nächste Marschrutka kommt erst in 2 Stunden. So lernen wir Francisco und Veronique kennen, ein nicht mehr ganz junges und doch ewig neugieriges Reisepaar. Wir stecken uns gegenseitig an mit unserer Begeisterung und heizen so Franciscos überschäumendem Fahrstil noch weiter ein. Wie Veronique schon sagt: er hat sich längst angepasst.

Luisa ist im Dezember letzten Jahres gestorben. Das ist traurig und man spürt die gedrückte Atmosphäre schon beim Betreten des Grundstückes. Der Hund hebt kaum den Kopf in seiner Hütte und die Söhne in ihren Mitvierzigern haben den Dreh noch nicht ganz raus. Mit Luisa scheint auch die Seele des Gasthauses verloren. Wir bleiben dennoch, denn die Zimmer sind gross und sauber und sehr zentral. Und wir haben direkten Blick auf den Kasbegi, den Berg, der diesem Ort seinen Namen gab, den Berg, der seinen Namen einem armen Poeten verdankt. Dieser Berg zeigt sich am Abend nur sporadisch, es regnet und wir statten dem 6km entfernten und von 300m auf uns herabschauenden Kirchlein heute keinen Besuch ab. Stattdessen spazieren wir auf der gegenüber liegenden Seite mit einem tollen Blick über das Tal, Berg und Kirche, auf das Spiel der Sonne mit den Regenwolken

Der angekündigte 2-3-stündige Spaziergang stellt sich als relativ einfache 90min heraus, umso besser! Jetzt schauen auch wir auf das Dorf Kasbegi hinunter, was den Aufstieg deutliche mehr rechtfertigt als die kleine Kirche auf hohem Thron.

Zurück im Dorf haben wir noch 10min bevor die Marschrutka nach Tbilisi fährt. Das nennt man „timing“, glaube ich. Unseren Plan, in Tbilisi umzusteigen und dann direkt weiter gen Westen, ins Weinanbaugebiet zu fahren geben wir auf.
Denn: selten haben wir solche Regenmassen nieder kommen gesehen, wir befürchten in eine Matschlawine zu geraten; davon sind in den letzten Wochen hier mehrere heruntergekommen, haben Strassen und Autos verschüttet.
Plötzlich sprühen kurz vor uns und direkt neben uns die Funken aus den kleinen Trafo-Stationen. Der Blitz ist eingeschlagen, unser behutsamer Marschrutka-Fahrer nähert sich langsam dem Ort des Geschehens – es scheint noch einmal gut gegangen zu sein. Aber ob Kasbegi heute Abend „Landesstrom“ bekommt, oder doch die Generatoren anlassen muss, das wissen wir nicht.

Unglaublich, aber wahr: in Tbilisi scheint die Sonne, und wir freuen uns, in „unserem“ Hinterhof noch ein Zimmer zu ergattern, auch die Amerikaner sind noch da. Wäsche waschen und aufhängen, gut ausschlafen und die Erkältung kurieren und morgen geht’s dann weiter.

„Sighnaghi is the city of love! Oh, you didn’t know that?” Die junge Frau mit Seifenopern-Englisch studiert „International Relations“ und ist auf dem Weg zum Kloster Bodbe, wo sie am Wochenende freiwillig für die Nonnen arbeitet. Wir schaffen es leider nicht, dem Kloster einen Besuch abzustatten, ansonsten wären auch wir beide im Wasser der heiligen Quelle untergetaucht, 3x, um uns von Krankheit und Sünde zu befreien.
Stattdessen haben wir, von Krankheit und Sünde weiterhin nicht verschont, eine Weintour gebucht. Sighnaghi ist ein hübsches kleines Touristenkaff, in dem es sich aber gut aushalten lässt – kleine Gasthäuser, kleine Cafés, eine vollständige (wiederaufgebaute) Stadtmauer und Kopfsteinpflaster in den Gassen. Es fehlt nur noch, dass (wie schon angekündigt) die Einwohner in traditioneller Kleidung ihre Erledigungen machen. Das wäre vermutlich zu viel des Kitsches – jetzt ist es wirklich sehr schön!
Für 15Sfr pro Person kann man sich einen ganzen Tag lang in einem Taxi herumfahren lassen, von Kirche zu Kloster zu Kapelle und von Weingut zu Weingut. Wein oder Tschatscha (Hochprozentiger) trinken nimmt einen grossen Teil der Gespräche und des Tages der Georgier ein! Schon der Taxifahrer in Mskheta hat uns überrascht mit einer unerwarteten Pause am Waldrand. Im Handschuhfach lag eine Plastikflasche selbstgekelterter Rotwein sowie ein traditionelles Trinkhorn. Ablehnen geht nicht. Man muss probieren, was bedeutet, mindestens 1 ganzes Glas oder, wie in diesem Fall, ein ganzes Horn zu trinken. Hier in Sighnaghi, auf unserem Spaziergang entlang der Stadtmauer bis zum Friedhof, auch hier wurden wir zum Trinken eingeladen, was wir nicht ablehnen konnten. 4 Freunde hatten sich versammelt vor dem Grab des fünften Freundes. Dieser ist zwar schon vor 27 Jahren verunfallt, aber jedes Jahr erneut ist sein Todestag Anlass, sich vor seinem marmornen Abbild zu treffen. Es ist Nachmittag, aber die 5l-Plastikflasche mit selbstgekeltertem Weisswein ist fast leer. Tomaten, Gurken, Brot, Speck und Salami können da auch nicht mehr viel ausrichten. Betrunken ist betrunken. Und Anlässe zum Betrinken gibt es täglich.
Nach unserer Weintour, immer noch nicht von Krankheit und Sünde befreit, ist der Kopf bewölkt und so richtig gerade laufen fällt uns nicht leicht.
Die Tour hat sich gelohnt, wir haben Einblicke in eine jahrtausendalte Tradition erhalten und einige köstliche – andere weniger köstliche – Tropfen probiert. Wo bekommen wir in der Schweiz georgische Weine?!

Im Osten wird Wein angebaut, westlich von Tbilisi läuft warmes, sprudelndes Wasser aus den Felsen, reich an Mineralien und mit heilender Wirkung auf Magen und Gelenke. Vielleicht ist es eben doch nicht so tragisch, dass wir das Bad im Kloster Bodbe verpasst haben. In Borjomi spazieren wir vorbei an Sanatorien durch den grossen Kurgarten. Wir probieren das „kalte Borjomi“ und das „heisse Borjomi“. Geschmacklich reicht diese Flüssigkeit bei weitem nicht an den Wein heran. Da baden wir schon lieber in diesem gesunden Nass, am Ende des Park. Der Pool ist renovationsbedürftig, was Jung und Alt jedoch nicht davon abhält, maximal 40 Minuten pro Tag den Mineralien Zugang zu jeder Hautpore zu verschaffen. Und wir sind mitten drin, planschen mit Fröschen und Algen, Kindern und Alten um die Wette und freuen uns darüber, dass die Plastikflaschen und anderer Müll im Pool nebenan liegen – nicht bei uns.

Borjomi hat den wohl engagiertesten Tourist-Information-Angestellten auf der ganzen grossen weiten Welt. Offizielle Öffnungszeiten sind von 10-19Uhr, aber Artur steht wochentags und sonntags schon um 9:00Uhr in Schlips, Kragen und Anzugweste hier, dafür geht er erst kurz vor 20:00Uhr. Wir werden begrüsst wie alte Freunde und erhalten beim Abschied am 3. Tag eine persönlich gewidmete CD mit georgischer Musik. Sein Bruder ist ein etwas anderes Kaliber, ist aber mindestens genau so zuvorkommend. Eduard hat den melancholischen Gesichtsausdruck eines argentinischen Tangueros. Er liebt Schweden, aber er wird depressiv dort, weil es im Winter so lange dunkel ist. Er liebt die Berge und wird depressiv, wenn er länger im Flachland lebt. Seine Fahrweise ist jedoch eher nicht depressiv, und so erreichen wir schnell alle Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. Akhaltsikhe, mit einem hohen armenischen Bevölkerungsanteil, erlebt endlich wieder einen kleinen Aufschwung. Die Burg wurde aufwändig restauriert, wieder aufgebaut, und ist ein fast zu glänzender Zeitzeuge. Neben einer Moschee mit Medrese steht innerhalb der Wehrmauern eine kleine Kirche. Ansonsten spazieren wir durch Gärten und Labyrinthe, durch neue Steine – auf alt getrimmt.
Es ist ganz nett hier, in Akhalsikhe. Aber wir erfreuen uns mehr an der Ruine der Khertvisi-Burg 40km weiter. Diese ist noch gar nicht restauriert und wir können nur mutmassen, zu welchem Zweck die doch recht kleine Festung am Konfluens zweier Flüsse einmal gedient hat. Ab hier verändert sich erneut die Landschaft. Auf relativ kleinem Gebiet hat uns Georgien schon eine grosse Spannweite an Landschaften gezeigt. Hochgebirge mit dem Kaukasus, sanfte Hügel und riesig weite Täler im Osten, jetzt zerklüftetes Vorgebirge mit geschwungenen grünen Flusstälern. Hier, mit einem gewaltigen Überblick über das Tal, vielleicht 20km von der türkischen Grenze entfernt befindet sich das Höhlenkloster Vardzia, dessen Ursprung z.Z. noch unbekannt ist. Bekannt ist jedoch, dass in den besten Zeiten bis zu 800 Mönche in den knapp 2000 Sälen auf 13 Etagen lebten. Gleichzeitig waren diese Höhlen aber auch Zufluchtsort für bis zu 50‘000 Menschen aus den umliegenden Orten. Nach einem Erdbeben Ende 13.Jh sind grosse Teile zerstört worden, aber was jetzt noch zu besichtigen ist, beeindruckt gewaltig!

Es ist WM in Brasilien, und diese Tage unserer Reise werden nach dem Spielplan organisiert. Zum Glück (für mich) finden die ersten Spiele um 20:00Uhr georgische Zeit statt – ein gemeinsames Abendessen liegt also immer noch drin, bevor ich abgeschrieben bin.
Vielleicht sind wir mit zu hoher Erwartung durch die Restaurants gestreift, aber das vielgelobte georgische Essen ist für uns – gut, nicht viel mehr. Wir essen fast täglich Chatschapuri („Käsepizza“) oder Chinkali (gefüllte Nudeln, ähnlich wie „Manti“ in Zentralasien oder „Dim Sum“ in China). Sehr gut sind die mit Käse gefüllten Pilze, auch die Fleischgerichte sind schmackhaft (und fett). Wir lieben Lobio (Eintopf aus Kidney-Bohnen) – aber unsere Mitmenschen lieben es nicht, wenn wir das essen… Die Suppen sind wunderbar, das Lavash-Brot aus dem Tandoor-Ofen eine Freude. Das Essen hier ist salzig, käse-lastig und füllend – gemeinsam mit dem doch moderneren Lebensstil produziert diese Nahrung Menschen, die aus dem Leim gehen. Neben herausragenden Nasen treffen wir auf herausragende oder (bei Männern) frei zur schau gestellte Wunderbäuche. Roman kann seine Blicke kaum aus den tiefen und unendlichen Dekoltées nehmen. Es muss in der Miederwarenindustrie eine spezielle georgische Abteilung geben. Diese Grössen sind bei uns sicher nicht – oder nur im „Outdoorladen“ – erhältlich!

Heute Abend leisten wir uns ein besseres Essen – und greifen wieder auf Chinkali (diesmal mit Pilzen gefüllt) und den berühmten Tomaten-Gurken-Salat zurück. Zusammen mit Hauswein und einer Portion Badridschani (Auberginen mit Walnusspaste) ist das die Belohnung für eine kurze Wanderung im Nationalpark Borjomi-Charagauli. Es gibt mehrere Gründe, warum die Wanderung kurz ausgefallen ist. Zum einen hatten wir keine Lust, früh aufzustehen. Dann mussten wir noch etwas einkaufen und sind zu Fuss die 1.5km zum Besucherzentrum des Parks gegangen. Mittlerweile war es schon 10:30Uhr, der nächste Bus zu unserem Wanderweg fuhr um elf. Wunderbar, mit Hilfe eines kleinen Zettels vom Besucherzentrum hat der Busfahrer genau verstanden, wo er uns herauslassen musste. 20min später kommt er an der Endhaltestelle an, dreht sich um und sagt: „Ja sabil!“ – Ich habe vergessen!…. Kann ja schon mal passieren, zum Glück mit uns, die wir doch recht gelassen mit unvorhergesehenen Situationen umgehen. In wenigen Minuten, sagt er, fährt er die gleiche Strecke wieder zurück, dann lässt er uns raus.
Aber erst wird eine geraucht, mit der Dame von der Tankstelle geflirtet und der Kopf in die Sonne gehalten. Es ist 11:30Uhr, und der Bus fährt los. 20min später sehen wir das Besucherzentrum an uns vorbei ziehen und landen um kurz vor 12 wieder in Borjomi …. Er hat uns schon wieder vergessen! Jetzt reicht es sogar uns, wir nehmen ein Taxi. Und als wir vorne beim Fahrer vorbei gehen und noch kurz mit ihm diskutieren, wissen wir, warum das mit dem Aussteigen nicht geklappt hat. Und wir freuen uns, dass die insgesamt 40 Minuten Busfahrt so gut gegangen sind – vorne in der Fahrerkabine wird man schon vom Einatmen leicht beduselt.
Wie hat uns ein litauischer Tourist gesagt: manch ein Georgier trinkt zum Frühstück Tschatscha …..

Der Nationalpark ist grün und feucht und überschäumend wie alles andere auch in Georgien. Bergbäche suchen sich die kürzeste Verbindung ins Tal – durch Schneisen und über Wege, der moosbewachsene Waldboden lädt zur Pause ein und angeblich ist der Blick von den Gipfeln unbeschreiblich schön. Für uns reichen die Erzählungen, bei der ersten grösseren Steigung treten wir den Rückweg an, es wird schon spät….

Angeblich ist dies eine der besser ausgebauten Strecken, zwischen Borjomi und Kutaisi. Die alte Marschrutka rumpelt jedoch mit einer Durchschnittsgschwindigkeit von ca. 40km/h vor sich hin, es geht auf Berge und hinunter in Täler, über Schotterpisten und Schlaglöcher. Kutaisi überrascht uns, wir finden eine lebendige Kleinstadt mit Kino-Kultur, Parks, Cafés und kleinen Marktstrassen. Und wir finden ein überteuertes „Hostel“, eigentlich eine Privatunterkunft, ein (grosses) Zimmer mit Fenster zum dunklen Flur, Gemeinschaftsbad, für 40Sfr… aufgrund eines eher peinlichen Missverständnisses können wir dann aber auf 30Sfr/Nacht herunterhandeln. Dafür sind wir nur 5 Gehminuten von der Grossleinwand im Park entfernt. Dem WM-Spiel Holland gegen Australien zu folgen, mit einem Bier in der Hand und grölenden Fans bei jedem Tor (der Holländer) macht richtig Spass.
Hoch über uns thront die Bagrati-Kathedrale, die 1994 zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Schon 2010 landete sie jedoch auf der Roten Liste der UNESCO, da „Umbaumaßnahmen den Charakter der Stätte stark verändert haben“. Wir haben am Nachmittag eine unschön restaurierte Kirche mit grünem Kupfer-Dach (statt Kacheln) und viel Beton angetroffen. Nichtsdestotrotz laufen die Gläubigen in Scharen herbei, Schulklassen und Hochzeitsgesellschaften, Familien und Bettler.

Von Kutaisi sind es nur noch 170km bis Batumi. Wir sind gewarnt worden, Batumi sei ein „kleines Las Vegas“ mit hypermodernen Bauten und Casinos. Ja, das gibt es hier auch. Aber Batumi ist eine alte, geschichtsträchtige georgische Stadt mit einem eigenen, fast italienischen, Flair und grosser touristischer Infrastruktur. Unser schönes Hotel kostet nur unwesentlich mehr als das „Hostel“ in Kutaisi, wir sind in 10min am Strand und entlang der Promenade schnell in einem hübschen Restaurant, Café oder Bar. Die Temperaturen steigen, ebenso die Luftfeuchtigkeit und wir sind froh, ein Bad im kühlen Schwarzmeer nehmen zu können. Das wäre vor 15 Jahren noch nicht möglich gewesen. Damals wurden die Abwässer der gesamten Stadt ungeklärt in diesen grossen Teich geleitet.
Batumi ist ein würdiger Abschluss unserer 2-wöchigen Georgienreise. Wetter, Meer, Menschen und Restaurants, alles passt.