Mazedonien

12.-20.07.2014, Bitola – Ohrid – Debar – Gostivar – (Tetovo) – Skopje

Ruhetag in Bitola. Und WM – Final!
Mazedonien hat uns sehr begeistert. Haben wir schon die Türken gelobt ob ihrer Gastfreundlichkeit, waren in Griechenland begeistert über so viel Gastfreundschaft, so erleben wir in Mazedonien eigentlich nur noch eine weitere Steigerung. Auch hier spricht jeder Zweite wenigstens ein paar Brocken Deutsch – oder Schwiizerdütsch! Auch hier heisst es: „Warte“ dann bekommen wir zwei Wasserflaschen in die Hand gedrückt. Oder wir bezahlen in Skopje unseren Tee – und erhalten nach einem kurzen Gespräch spontan noch zwei Gläser Zitronensirup mit den Worten „hier, Vitamine!“.Vor allem aber waren die Bewohner des Landes fast durchwegs glücklich darüber, dass wir, aus Deutschland und der Schweiz, in ihr Land reisen, ihre Kultur kennenlernen wollen und Interesse zeigen an ihrem Leben. Die Freude, uns dieses Land zu zeigen ist vor allem bei denjenigen, die aus der Schweiz oder Deutschland für drei Wochen Sommerferien hier sind, riesig. Stolz stellen sie sich zu uns und betonen: Hier ist meine Heimat!

 

Bevor die Deutschen gegen die Argentinier kämpfen – und siegen – erkunden wir Bitola, das erste Städtchen nach dem Grenzübertritt von Makedonien (GR) in die „Republik Skopia“.So wird dieses Land von den Hellenen genannt, und der Streit um Namen und Ländereien, aber vor allem um den längst verjährten Alexander scheint immerwährend.
Bitola, so heisst es, sei die zweitgrösste Stadt in Mazedonien, und ist vielmehr ein grosses Dorf. Quer durch das Stadtzentrum zieht sich, gleich anschliessend an den grossen, jugoslawischen Stadtpark, eine kilometerlange Fussgängerzone. Hier ist, so scheint es, jeder einzelne „Bitolaner“ anzutreffen. Cafes, Kneipen und Restaurants sind gefuellt oder sogar ueberfuellt, Eltern, Kinder, Grosseltern und Touristen schieben sich ueber den Buergesteig, schlecken ein Eis oder halten kurz fuer einen Schwatz an. Und als die Deutschen das erste Tor schiessen, hallen die Jubelschreie von den wunderschoenen Fassaden wieder.

Auf der anderen Flussseite befindet sich die Altstadt, die leider heute schlaeft – es ist Sonntag. Auf dem grossen und vor sich hin daemmernden Markt sehen wir noch einzelne Verkaeufer mit dicken Melonen und grossen Kohlkoepfen. Wir kehren nicht ein in dem empfohlenen Restaurant am Fluss, da dieser undefinierbare und unschoene Duefte von sich gibt. Stattdessen finden wir hinter der osmanischen Altstadt eine Moschee, die gerade noch rechtzeitig von den Tuerken vor dem Abriss gerettet wird. Wir klettern ueber Erdhuegel durch den offenen Bauzaun und stehen vor alten Steinen und einem hohen Minarett. Eigentlich wollen wir nun hineinschauen in die Moschee, die alten Wandzeichnungen bewundern, aber ploetzlich steht eine junge Frau vor uns, meint, dies sei verboten. Aber in einem Jahr koennten wir wiederkommen und die Restauration bewundern, einen Rundgang durch das geplante Museum machen.

Nach guten eineinhalb Tagen Fahrradpause, nach Aktualisierung unserer Website und Mitfiebern im WM – Final radeln wir mit frischen Kraeften los, von Bitola ueber den Berg nach Resen und ueber einen weiteren Berg zum Ohrid-See. Eine wunderschoene, ereignisreiche und auch ermuedende Radtour. Zum Glueck finden wir zu Beginn die alte und wenig befahrene Strasse; ueber den ersten Pass und von dort bis zu unserem Ziel allerdings teilen wir uns den Asphalt mit Einheimischen und Touristen, mit PKWs und LKWs. Wir fahren vorbei an Feldern und Doerfern, an einem malayischen Weltreisenden mit Rucksack und Schaefern mit ihrer grossen Herde. Unser Weg fuehrt durch Schlagloecher und ueber Kopfsteinpflaster um zuletzt dann auf guter und breiter Strasse hinauf bis auf 1200mueM zu ziehen. Wir freuen uns ueber die Abfahrt nach Resen, viele Kilometer und Hoehenmeter nach unten. Wir freuen uns ungefaehr 3 Minuten lang, dann ist in Roman’s Hinterrad eine Speiche gebrochen – die zweite seit wir vor ueber einem Jahr gestartet sind.

Zunaechst wollen wir das Problem selber loesen, entscheiden uns dann aber – gluecklicherweise – dafuer, einfach mal langsam ins Dorf zu rollen und nach einer Werkstatt zu suchen.
Resen ist eine kleine, ruhige Industriestadt, die ueber Mittag schlaeft. Die jungen Burschen am Strassenrand kennen keine Fahrradwerkstatt – aber sicher koennten sie uns die zehn besten Autowerkstaetten der Umgebung nennen. Aus einem Impuls heraus frage ich den Arbeiter im Blaumann auf seinem klapprigen Fahrrad. „Follow me, I bring you to the Meister“ meint er nur, und radelt davon. Beim Friseursalon an der Ecke legt er eine Vollbremsung hin und geht in den Laden. Wenn das mal gut geht – mit Foen und Lockenwickler wurde noch selten eine Speiche geflickt. Danach geht’s in den Hinterhof, wo wir in bestem Deutsch von Melissa aus Bielefeld angesprochen werden. Sie ist ca. 17-jaehrig und verbringt ihre Sommerferien bei Oma und Opa. Und Opa ist der „Meister“.
In ca. 30min ist die Speiche ausgetauscht – zum Glueck haben wir Ersatzspeichen aus der Schweiz mitgenommen – wir haben einen Kaffee getrunken und viel ueber das Heiraten in den Sommerferien erfahren. Melissas Locken stammen noch von der Hochzeit ihres Cousins, der eigentlich in Bern wohnt, dort aber eine Mazedonierin aus Resen kennengelernt hat und diese gestern in der Heimat der Eltern geheiratet hat. Ja, Heiraten ist hier im Balkan ein grosses Ereignis, vielleicht das groesste und wichtigste Fest im Leben!

Mit unseren Gedanken immer noch bei Melissa, die so deutsch ist und doch so mazedonisch-traditionsverhaftet, die in Indien arbeiten will und Hindi lernt, aber sicher von den Eltern mit einem jungen Mann aus Resen verkuppelt wird und ihre Traeume ad acta legen kann, nehmen wir die naechste Steigung in Angriff. Die Belohnung – diesmal ohne Speichenbruch – sind 16km wunderschoene Abfahrt durch unberuehrte Waelder und Schluchten bis nach Ohrid, DEM Touristenort in Mazedonien. Und das ist er zu Recht!

Der von uns angestrebte Zeltplatz ist offensichtlich geschlossen, der andere zu weit weg. Und am nächsten Morgen sind wir froh, dass wir mit Herrn Sipinkoski mitgegangen sind. In seinem Gästezimmer haben wir wunderbar geschlafen, und auch noch Lorenzo kennen gelernt, der vor ein paar Wochen aus Italien losgeradelt ist. Er ist ungefähr so sportlich wie wir, hat sich einfach mal auf den Drahtesel gesetzt und die Strecke in Angriff genommen. Vor den Hügeln, die wir heute gefahren sind, hat er grossen Respekt. Aber die Küste Kroatiens und Montenegros hat er auch schon geschafft. Der Regen, den er sich gewünscht hat, um eine Ausrede zu haben, einen Tag länger hier zu bleiben, hat am Morgen nur nasse Bürgersteige hinterlassen – keine Ausrede also; nur zu, Lorenzo! Wir hingegen haben einen Ruhetag geplant uns schauen uns den alten orthodoxen Bischofssitz an. Im Mittelalter sollen hier 365 Kirchen gestanden haben, auch jetzt noch spazieren wir ständig an einer Kirche vorbei, geniessen von der Burg den Ausblick über Amphitheater und See und essen direkt am Wasser in einem kleinen Restaurant zu Mittag.

Von hier über Struga – am nördlichen Seeufer – und dann entlang eines breiten Flusses erleben wir eine der schönsten Radtouren auf unserer ganzen Reise. Die Berge ziehen steil zu beiden Seiten hoch, die Landschaft ist grün und der Fluss ruhig. Wir sehen in den Wäldern kaum Spuren der Zivilisation, von vereinzelten Strommasten einmal abgesehen. Diese Strommasten leiten – wie wir später zu hören bekommen – die generierte Energie vom Kraftwerk am Stausee nach Mitteleuropa. Ob das stimmt sei dahingestellt, die Anwohner jedenfalls sind erbost darüber. Auch hinter dem Stausee fahren wir weiterhin bergab, nun begleitet uns ein Rinnsal im Wald. Der nächste Stausee ist nicht weit – zumindest auf der Karte. Aber nun führt die Strasse bergauf, steil bergauf. Belohnt werden wir mit atemberaubenden Blicken über die Schlucht und den Debar-Stausee. Debar selber ist eine Stadt die man genauso gut einfach links liegen lassen kann – im wahrsten Sinne des Wortes. Wir würden diese Stadt auch schnell wieder vergessen, wäre es nicht für die ersten 1000km die wir hier vollendet haben. Kurz hinter der Stadt liegt malerisch über dem See das Frauenkloster „Johannes der Täufer“, in dem vorwiegend junge Frauen um die 25 Jahre leben. Hier, haben wir gelesen, kann man umsonst übernachten – gegen eine erwünschte Spende in der Kirche. Von den drei jungen Nonnen zeigt uns „das Reibeisen“ mit dem abweisenden Gesichtsausdruck die beeindruckende kleine Kirche. Jeder Fleck von Wand und Decke sind bemalt, die Atmosphäre ist gemütlich und schön, die Ikonostase überwältigend. „Das Reibeisen“ hat offensichtlich nach der Beichte auferlegt bekommen, mit den Menschen halbwegs freundlich umzugehen und sie erklärt uns die Malereien, die Klostergeschichte während des 2. jugoslawischen Staates und zeigt uns Fotos all der Mitren, die von den Nonnen für orthodoxe Bischöfe bis nach Russland hin hier hergestellt werden. Dann dürfen wir – mit Zahlenworten ausdrücklich dazu aufgefordert – eine Spende in der Kirche lassen, aber nicht hier übernachten, denn die Gemächer sind voll! So radeln wir nach einem langen Tag müde weiter bis wir das hölzerne Schild zum Mavrovo-Nationalpark passieren und eine schöne, frisch gemähte Wiese am Fluss entdecken. Und schon wieder verbringen wir eine ruhige Nacht im Zelt an einem wunderbaren Ort.

Für’s Kartenlesen bin ich zuständig, und manchmal sehe ich Dinge, die gar nicht vorhanden sind. Zum Beispiel, dass wir dem Fluss von hier aus in Fliessrichtung folgen. Woher ich diese Idee genommen habe, weiss ich nicht, aber wir fahren definitiv gegen die Fliessrichtung, und es geht wieder einmal bergauf. Es geht bergauf, und bergauf und die Wolken ziehen auf. Und es geht weiter bergauf. Der Mavrovo-NP ist wunderschön, sehr lohnenswert, wenn man ein motorisiertes Gefährt hat. Wir sehen leider nur noch Asphalt, und die Schweisstropfen, die uns in die Augen rinnen. Wir sehen die Sonne nicht, weil die Felsen links und rechts der Strasse fast senkrecht hinaufgehen aber wir sehen die Wolken und versuchen schneller zu fahren, dem Gewitter zu entkommen. Irgendwann um die späte Mittagszeit erreichen wir den dritten Stausee in zwei Tagen. Wir bekommen ein paar wenige Regentropfen ab, aber das Schlimmste ist an uns vorbei gezogen. Und so gönnen wir uns eine dicke, saftige Pleskavica („Hacksteak“), gefüllt mit Käse und dazu einen…. Tomaten-Gurken-Salat, wie immer! Ziel ist nun Gostivar, zu dem wir 20 anstrengende Kilometer und 700 Höhenmeter bergab fahren, auf schmaler Strasse, die wir uns – wie so häufig – mit rasenden PKWs und donnernden LKWs teilen müssen. Unten angekommen wissen wir nicht, was schlimmer war – der Aufstieg oder die Abfahrt. Dazu noch ist die Einfahrt nach Gostivar alles andere als einladend. Wider Erwarten finden wir dann aber ein schönes Hotel und ein anderes Radlerpaar aus der Schweiz. Die beiden sind ein wenig sportlicher als wir (oder Lorenzo) und fürchten sich kein bisschen vor dem Anstieg in Richtung Debar. Ausgerüstet mit GPS – Daten und Höhenmeter-Kurven wissen sie besser als wir (die wir die Strassenkarten eher frei interpretieren) was sie erwartet. Als wir nach einem ruhigen Abend im Städtchen – es hat uns dann doch ein paar hübsche Seiten gezeigt – am nächsten Morgen ein Café suchen, sind die beiden schon in voller Montur, bereit für die Challenge in den Bergen. Wir wissen – nach freier Interpretation der Strassenkarte und Blick auf das ausgedruckte Höhenprofil der beiden anderen Radler – dass wir heute kaum Steigungen haben werden.

Unser Weg führt über die alte Strasse nach Tetovo, durch viele kleine Dörfer, vorbei an Menschen, die uns am Morgen „bona sera“ zurufen oder am Nachmittag „Guten Morgen“! Wir hören „Gruezi“ und „hey man, woher chunsch“. Wir kaufen einen köstlichen Mohnstrudel in einem Laden, der mit „Bäckerei“ angeschrieben ist (Mein Mann war in Deutschland!), und werden eingeladen zu zwei Getränken von einem Cafégast, der in der Schweiz ein gute Stelle gefunden hat und nun seine Familie in einem dieser Dörfer besucht. Kurz vor Skopje treffen wir zwei Brüder, beide arbeiten in der Gastronomie, der eine in Deutschland, der andere in der Schweiz. Sie verstehen nicht, warum mein Macchiato schon gezuckert ist, warum der Kellner nicht vorher fragt ob ich Zucker will. Sie verstehen ihre eigenen Landsleute nicht mehr. Es ist schwierig für die Auslandsmazedonier – im Ausland und zu Hause; es ist schwierig für diejenigen, die bleiben und auf die Gelder der Verwandten im Ausland angewiesen sind. Denn Arbeit gibt es hier nicht genug.

Wir erreichen Tetovo. Hier – mehr noch als in den anderen Teilen Mazedonien – wohnen viele Albaner. In dieser nordwestlichen Region hat es schwere Unruhen im Jahr 2001 gegeben, hier hat die mazedonische UCK zugeschlagen und die Regierung unter Druck gesetzt. Im Endeffekt – durch das Abkommen in Ohrid – haben UCK und Regierung sich nach knapp einem Jahr einigen können. Die Albaner haben mehr Rechte zugesprochen bekommen und im Land ist – vorläufig – Ruhe eingekehrt.

Zu kurz ist der Weg zwischen Gostivar und Tetovo, um hier schon ein Hotel zu suchen. Wir entscheiden uns, einfach mal durch zu fahren – und ich hoffe darauf, einen Blick auf die beiden wichtigen Gebäude Tetovos zu erhalten: Das Bektashi – Sufi – Kloster und die Bunte Moschee. Einen Umweg planen wir dafür nicht ein, doch plötzlich, am Wegrand, sehen wir ein grosses Tor. Neugierig muss ich unbedingt hineinschauen – und entdecke das Bektashi-Tekke (Kloster). Innerhalb der Mauern, durch die 4 Tore in den kleinen Park führen, ist es ruhig und schön. Ich fühle mich hier, auf muslimischem Gelände, ein wenig unwohl in meinen kurzen Radlershorts und dem sehr kurzärmligen T-Shirt mit grossem Ausschnitt. Und da kommt auch schon ein grosser, bäriger Mann mit Vollbart ohne Schnauz auf uns zu – begrüsst uns beide mit Handschlag und einem breiten Lächeln, und fragt in schlechtem Englisch, ob wir hier, innerhalb der Mauern auf der gepflegten Wiese unser Zelt aufstellen wollen. Immer wieder kämen Radler aus Norwegen oder Holland oder Deutschland, es hätten schon viele hier die Nacht verbracht. Anschliessend führt er uns herum, erklärt uns das Kloster und das ja z.Z. Ramadan sei – es würde ihm schwer fallen, tagsüber nichts zu essen, dann lacht er wieder, dass der Bauch wackelt.
Mitten im Park steht eine Art grosser Pavillon, mit überdachtem Brunnen. Hier wasche man sich, anschliessend würde auf der Terrasse gebetet. Es ist so friedlich an diesem Ort und ich verlasse nur ungerne den Park und den „Bären“, der uns zum Abschied in seine weichen Arme nimmt und feste drückt. Er hat uns zuvor noch erklärt, dass die vier Tore zur Tekke die vier heiligen Bücher symbolisieren – Thora, Altes Testament, Neues Testament und Koran. Und dass er 2001 aktiver UCK – Kämpfer gewesen sei. So ganz wissen wir nicht, was wir von dieser letzten Aussage halten sollen. Aber vielleicht ist für ihn das Klosterleben, der Frieden innerhalb des Sufi-Ordens und der Ramadan ausfüllend genug, so dass er nicht mehr kämpfen muss.

Wir dagegen kämpfen uns durch die vollen Strassen der Stadt Tetovo und stolpern förmlich über einen quadratischen Bau der wie mit Spielkarten bemalt aussieht. Das ist die Bunte Moschee, speziell anzusehen – aber hinein gehen wir nicht, wir wollen raus aus dem Verkehr und weiter nach Skopje.

Skopje ist eine grosse Überraschung. Schon die Einfahrt in die Hauptstadt Mazedoniens ist ganz anders als erwartet. Wir fahren entlang eines Hügels – oben steht ein riesiges Kreuz – durch kleine Dörfer und vorbei an kleinen unscheinbaren Moscheen. Dann erreichen wir eine grössere Strasse und schon 10 Minuten später stehen wir im Zentrum. Hier wird eifrig gebaut, wir sind umgeben von mehreren überdimensionierten Brunnen mit messingfarbenen riesigen Statuen, sehen vor uns die vielen Brücken über die Vardar von denen wir eine – die „steinerne“ – überqueren und mit einem Schlag in der Altstadt stehen. Skopjes osmanische Altstadt ist eine der besterhaltensten, ursprünglichsten und schönsten, die wir auf unserer Reise gesehen haben. Die Neustadt protzt fast schon „kasachisch“ (s. Astana), aber alles in allem herrscht hier eine angenehme Atmosphäre. Wir fühlen uns wohl, auch bei unserem Spaziergang durch die Wohngebiete, in denen ein „richtiges jugoslawisches“ Postamt und das „Mutter-Teresa-Gedenkhaus“ zu finden sind. Neben dem Gedenkhaus erinnert auch der Name der Autobahn an die 1910 in Üsküb – so der Name Skopjes während des Osmanischen Reiches – geborene und nicht unumstrittene Selige der katholischen Kirche.

Bevor wir die Grenze in den Kosovo überqueren, bevor wir also die 20km bis zur Grenze in Angriff nehmen, zieht es uns am Morgen nach dem Ruhetag noch ins Zigeunerviertel „Shutka“. Hier findet jeden Sonntag ein grosser Markt statt und wir erwarten Jubel-Trubel-Heiterkeit. Es ist spannend, hier im Zigeunerstadtteil. Aber eigentlich ist es nur ein weiteres Quartier in einer grossen Stadt. Der Markt ist gross aber übersichtlich und bei weitem nicht so wild, wie wir uns vorgestellt haben.

Was bleibt uns in Erinnerung von diesem Land. Sicher einmal der Streit mit Griechenland um den Namen und um Alexander den Grossen. Dann aber auch die vielen wunderschönen, unberührten grünen Hügel, auf denen wir vereinzelte Kirchen und Klöster finden, sowie die kleinen Städte mit ihren grossen Moscheen. Dann, zu allerletzt, „der kleine Wahnsinn“, der den Balkanern in all ihren Ländern zu eigen ist. Für uns manifestiert er sich hier im beschaulichen Ort Vevcani. Vor vielen Jahren haben die Dorfbewohner – knappe 3000 an der Zahl – per Referendum dafür gestimmt, dass Vevcani eine eigene Republik sein solle. Es wurden Geldscheine gedruckt, mit barbusigen Tänzerinnen auf der einen Seite und religiösen Symbolen auf der anderen. Auch eigene Pässe wurden ausgestellt. Aktuell wird an einer Art Mini-Triumphbogen gebaut, durch den man von der Hauptstrasse aus das Dorf erreicht.
Mal sehen, welcher „kleine balkanische Wahnsinn“ uns in den anderen ehemaligen südslawischen Republiken erwartet.